Das Deutsche Eck

Kulturbegeisterten Besuchern des Mittelrheintals, für die die Besichtigung des Niederwalddenkmals ein Highlight war, sollten ihre Reisepläne in jedem Fall in Richtung Koblenz ausdehnen. In der nur knapp 60 Kilometer von Rüdesheim am Rhein entfernten Stadt kann man mit dem Deutschen Eck ein weiteres Stück Geschichte aus dem Kaiserreich begutachten. Auf der künstlich geschaffenen Landzunge am Zusammenfluss von Mosel und Rhein steht ein 37 Meter hohes und damit äußerst imposantes Kaiser-Wilhelm-Denkmal.

Ehrung für die Einigung des Reichs

Mit dem Denkmal sollten nach dem Tod des Monarchen 1888 dessen Leistungen für die Reichseinigung gewürdigt werden. Wilhelm I. hatte 1864 im Deutsch-Dänischen-Krieg, im Deutsch-Deutschen-Krieg 1866 und dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 eine führende Rolle gespielt. Diese als Deutsche Einigungskriege bekannten Konflikte führten schließlich zur Entstehung des deutschen Nationalstaates, zu dessen erstem Regenten man Wilhelm I. ernannte.

Schon wenige Wochen nach seinem Tod gab es erste Initiativen zum Bau eines weiteren Denkmals. Die Wahl des Standortes überließ man seinem Sohn, der sich 1891 für Koblenz entschied. Die Vorbereitung, die die Zuschüttung eines bis dahin am Deutschen Eck befindlichen Hafens und eine Spendensammlung beinhaltete, Planung und Bau nahmen mehrere Jahre in Anspruch. Als Architekt konnte man Bruno Schmitz gewinnen. Dieser hatte mit der Planung des Kyffhäuser-Denkmals und des Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica bereits zwei ähnliche Monumente zu verantworten. Die Statue des auf einem Pferd sitzenden Kaisers gestaltete der Bildhauer Emil Hundrieser.

Das Deutsche Eck in Koblenz

1897 konnte das Denkmal fertiggestellt und in Anwesenheit Wilhelms II. eingeweiht werden. Die hohe Anerkennung für die Leistungen seines Vaters wurde auch in der Bildsprache ausgedrückt. Reiterstatuen gelten als Sinnbild für Herrschaft und werden nur Menschen zugestanden, die aus der Sicht ihrer Zeitgenossen Großartiges bewirkt haben. Analog dazu versuchte Wilhelm II. „der Große“ als Beinamen für seinen Vater einzuführen. Das Denkmal ist dementsprechend Wilhelm dem Großen gewidmet, wie eine Inschrift auf der Front verrät. Auf lange Sicht blieb der Versuch allerdings erfolglos.

Zerstörung und Wiederaufbau

Dass man das Denkmal auch heute noch besuchen kann, ist der Hartnäckigkeit der Koblenzer zu verdanken. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurde das Standbild von einer Artilleriegranate getroffen und schwer beschädigt. Nach dem Krieg wurde die aus Kupfer gefertigte Figur zu einem großen Teil eingeschmolzen. Lediglich einige Teile tauchten später unversehrt wieder auf. Dazu gehört der Kopf Wilhelms I., den Besucher heute im Mittelrhein-Museum in Koblenz betrachten können.

Da es keine Pläne für den Wiederaufbau gab, funktionierte man den verbliebenen Sockel 1953 zum Mahnmal der deutschen Einheit um und brachte an ihm die Wappen aller deutschen Länder inklusive der Ostgebiete an. Diese neue Rolle sollte beim Versuch, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in seiner alten Form wiederherzustellen, zum Problem werden. Das ab 1987 vom Verleger Werner Theisen gezeigte Engagement für die Rekonstruktion stieß dabei auf den Widerstand der Rheinland-Pfälzischen Regierung, die auf den Erhalt des Einheitsdenkmals bestand. Eine 1988 durchgeführte Meinungsumfrage zeigte jedoch, dass 80 Prozent der Koblenzer hinter dem Vorhaben standen. Daraufhin gaben Theisen und die von ihm gegründete Bürgerinitiative 1989 den Bau einer Nachbildung der verloren gegangenen Statue in Auftrag.

Als die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 vollzogen wurde, verlor das Einheitsdenkmal seine Bedeutung, was Theisens Vorhaben die Zustimmung der Regierung einbrachte. Endgültig frei war der Weg für die neue Statue deshalb aber nicht, da die Pläne Diskussionen um den Sinn des „späten Kaiserkults“ auslösten. Die Einweihung des Denkmals in seiner heutigen Form konnte deshalb erst im September 1993 erfolgen.